Das Bodenreformdorf

Der Anfang nach dem Ende

Am 26.April 1945 mussten die Einwohner Dedelows Haus und Hof verlassen. Der Zweite Weltkrieg ging zu Ende. Keiner durfte zurück bleiben. Einheimische und polnischen Saisonarbeiter, alle mussten aus dem Dorf.

Als die ersten Dedelower vom Treck zurück kamen, waren sieben Wohngebäude mit Stallungen, die Schule, drei große Gutsscheunen und der Schafstall zerstört. Das betraf 33 % aller Gebäude. Für 17 Familien bedeutete das die Obdachlosigkeit.

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Postkarte von Dedelow vor der Zerstörung

Auch das Schloß, wie im Volksmund das Gutshaus genannt wurde, war abgebrannt. Ernst Allisat, Melkermeister auf dem Gut, war als einer der ersten bereits am 01.05.1945 wieder in Dedelow angekommen. Er hat die Gebäude noch rauchen sehen.

Der Neubeginn in der Nachkriegszeit gestaltete sich kompliziert. Die Versorgung war zu diesem Zeitpunkt allgemein sehr schlecht. Der Kreis Prenzlau gehörte, wie auch einige Nachbarkreise zu den Notstandsgebieten. Es herrschte Naturalwirtschaft. Bezahlt wurde, wenn überhaupt, nicht mit Geld, sondern mit dem was man an Naturalien hatte.

1945 wurden im Dorf die Flächen des ehemaligen Gutes noch gemeinsam bestellt. Als erstes pflanzte man Kartoffeln. Für die Aussaat der Kartoffeln war auf dem Gut bereits alles vorbereitet, als der Räumungsbefehl kam. Dadurch war die Versorgung gesichert. Vieh gab es nach der Rückkehr in Dedelow nur noch das, was die Leute vom Treck mitbrachten. Alles zurückgelassene Vieh und auch die Katzen waren verschwunden.

Zur Einbringung der Ernte wurde jeder im arbeitsfähigen Alter, ob Mann oder Frau verpflichtet. Es kamen auch Helfer aus Prenzlau. Wer sich weigerte bekam keine Naturalien und hatte somit nichts zu essen.Überwacht wurde das von einer eingesetzten Amtsvorsteherin und Soldaten der Sowjetarmee. Die Soldaten verbreiteten noch lange Zeit Angst und Schrecken. Obwohl sich Herr Meinke als Bürgermeister sehr für die Leute einsetzte, kam es immer wieder zu Übergriffen. Wer sich wehrte wurde zusammengeschlagen. Auch vor hoch schwangeren Frauen machte man dabei keinen Halt. Mädchen und junge Frauen waren begehrt und litten oft sehr.

Bodenreform

Als am 06. September 1945 die Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg die Durchführung der demokratischen Bodenreform in ihrem Verwaltungsbereich beschloss, fiel auch der Gutsbesitz in Dedelow unter diese Verordnung. 1946 wurde in der Gemeinde Dedelow die Bodenreform durchgeführt. Im März 1946 hatte, wer wollte, schon ein Stück Land zur Bewirtschaftung erhalten. Auch bei den einheimischen Bauern waren Flüchtlinge als Hilfskräfte angestellt. Sie bekamen bei den Bauern auch Wohnraum.

Mit der Herbstbestellung 1946 übernahmen 85 Neubauern die Bewirtschaftung von eigenem Land. Davon erhielten 22 Neubauern ihren Boden auf dem Vorwerk Steinfurth. Insgesamt waren im Gebiet um Dedelow 772 ha Gutsland zur Aufteilung vorhanden. Die Zahlen änderten sich häufig. Es kamen ständig neue Siedler dazu, andere zogen wieder weg. Die Anzahl der Umsiedler und Flüchtlinge war für das kleine Dorf Dedelow, im Verhältnis zu anderen Dörfern, sehr hoch. Dedelow war ein Gutsdorf. Durch die Enteignung des Gutes gab es viel Land zum Verteilen. Auf der Suche nach einer neuen Existenz kamen die Flüchtlinge nach Dedelow und Steinfurth.

Überall mangelte es an Wohnungen. Besonders die Flüchtlinge hatten darunter zu leiden. Die ehemaligen Landarbeiter waren z.T. noch besser dran, weil ihnen oft Teile des Landarbeiterhauses, in dem sie wohnten, übergeben worden waren.

In Dedelow wohnten die Leute auf engstem Raum und auch in den Überresten des abgebrannten Gutes. Deshalb war der Beginn des Neubauernbauprogramms in der Gemeinde sehr wichtig. Hierzu wurden auch die Steine des kaputten Schlosses benutzt. Aus der schlechten Wohnsituation resultierten große Unzufriedenheit und Frust. Erst der Befehl Nr. 209 der Sowjetischen Militäradministratur (SMAD) von 1947 gab die Möglichkeit zum Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.

Das erste Neubauernhaus im Ortsteil Dedelow wurde in der Neubauernwirtschaft Karl Kaufmann und auf dem Vorwerk Steinfurt in der Neubauernwirtschaft Hermann Fuchs erstellt, das noch 1947 fertig wurde.

Siedler in Dedelow

In Dedelow siedelten neben den Flüchtlingen auch die Einheimischen. Die Lebensbedingungen von Ortsansässigen und Flüchtlingen waren annähernd gleich. Es war eine schwere Zeit. Der überwiegende Teil der Bevölkerung bestand aus Menschen, die hier eine neue Heimat finden wollten. Andere waren bisher einfache Guts- bzw. Landarbeiter. Die meisten Leute hatten keine oder nur eine geringe landwirtschaftliche Ausbildung. Sie wollten einfach nur überleben. Vor allem die Flüchtlinge hatten meist keine Maschinen und Geräte zur Feldarbeit zur Verfügung. Ein Großteil der Flüchtlingsfamilien fand erst in Dedelow oder Steinfurth wieder zusammen. Sie waren durch Krieg und Zwangsumsiedlung lange Zeit getrennt und wussten oft nicht, ob ihre Angehörigen noch lebten. In der ersten Zeit waren sie sehr auf die Unterstützung der Bürgermeister und der Einheimischen angewiesen. Diese hatten sich vom ehemaligen Gutshof landwirtschaftliche Gerätschaften besorgt und verkauften diese oder liehen sie auch aus. Wer die Arbeit oder das Abgabesoll nicht schaffte, gab die Siedlung oft wieder ab. Diese Flächen wurden dann von den anderen Siedlern mit bewirtschaftet oder lagen brach.

Erst nach und nach bekamen die Neusiedler Arbeitsgeräte, die ihnen die Arbeit erleichterten. Trieb zunächst eine „Dampfmaschine“ den Dreschkasten an, so war es später ein „Pionier“.

Handarbeit

… Handarbeit

Dreschmaschine   … Dreschmaschine

Es gab Jahre in denen die Ernte nicht so ausfiel wie erhofft. Auch Tierkrankheiten machten den Siedlern das Leben schwer. Dazu kam, dass ihnen ihre Tiere „geklaut“ wurden oder auch die gesamte Kartoffelernte. Etwa im Herbst 1948 wurden auch dem damaligen Pfarrer Schafhirt alle Hühner aus dem Stall gestohlen. Die Diebe hatten ein Schild hinterlassen auf dem Stand: „ Der liebe Gott ist überall, nur nicht beim Pastor im Hühnerstall.“

In Steinfurth wurde einem Siedler über Nacht ein Ochse weggeschlachtet. Nur den Kopf fand man später im Siebgraben. Die Geschichte war sehr ärgerlich, weil der Ochse dem Bauern Johann Schulz aus Lindenhof gehörte. Dieser hatte ihn nur für die Feldarbeit verborgt. Weil es weniger umständlich war, stand der Ochse über Nacht im Stall von Siedler Kreuzberger in Steinfurth. Dort wurde er von Unbekannten an Ort und Stelle geschlachtet und entwendet.

Ein anderes Mal wurden den Steinfurthern alle Tiere gestohlen. Wirklich unbekannt war nicht, wer sich so am Eigentum anderer bereicherte. Die Dedelower und Steinfurther hatten bestimmte Leute in Verdacht, aber man konnte es nicht beweisen. So blieben es bis heute nur Vermutungen, wer die Strolche waren.

Die erste LPG

Von staatlicher Seite wurde auf der 2.Parteikonferenz der SED im Juli 1952 der politische Auftakt zur Umgestaltung der Landwirtschaft gegeben. Am 31.Juli1952 schlossen sich bereits die ersten 11 Neubauern in Dedelow zur LPG Typ I „Paul Scholz“ Dedelow zusammen.

Gründungsprotokoll

Auszug aus dem Gründungsprotokoll

Die ersten LPG wurden allgemein nicht von den wirtschaftlich stärksten Siedlern gegründet. Auch in Dedelow organisierten sich eher schwächere Wirtschaften, in der Hoffnung, gemeinsam bessere Ergebnisse zu erreichen. Sie konnten nicht viele Inventarbeiträge einbringen, waren zum überwiegenden Teil auch ohne landwirtschaftliche Vorbildung bzw. Ausbildung.

Am Rande des Tangers, auf dem Gelände der heutigen Schweineproduktion Hahlweg, wurden 1953 Schweinehütten gebaut und seitdem wird dort Schweinezucht betrieben. Anfangs verirrte sich auch manchmal ein Eber aus dem Tanger. Dann kam es auch vor, dass bei einem neuen Wurf kleine Wildschweinchen dabei waren. Auch ein Futterhaus mit Toiletten und Büroräumen wurde errichtet. Die Vorsitzenden dieser LPG wechselten häufig. Fehlende fachliche Bildung, aber auch eine falsche Arbeitseinstellung und viele persönliche Streitigkeiten unter den Mitgliedern führten dazu, dass sich die LPG „Paul Scholz“ lange Zeit nicht gut entwickelte. Die Vorsitzenden, nach Johannes Pecker, mussten jedes Mal überredet werden, dieses Amt zu übernehmen. Auch die fehlende Ausbildung und die nicht ausreichende Unterstützung durch die anderen LPG-Mitglieder, führten zu den häufigen Wechseln in der Leitung und den schlechten Arbeitsergebnissen.

altes Büro erstes LPG-Büro auf dem ehemaligen Gutshof

Nachdem im August 1958 Kurt Matuschak den Vorsitz in der Dedelower LPG übernommen hatte, ging es in der LPG aufwärts. Er war der 10. Vorsitzende, der sich mit dieser Aufgabe versuchte. Die LPG Dedelow besaß zu dieser Zeit ein Futterhaus mit Büro, 1 Maststall und Schweinehütten. Im Dorf war ein MTS-Stützpunkt, der die Landbewirtschaftung unterstützte. Die LPG hatte Schweine, 2 Herden Milchkühe und Jungvieh.

Eine LPG für Steinfurth

In Steinfurth sträubten sich die Bauern lange Zeit, eine LPG zu gründen oder in eine einzutreten. Sie bewirtschafteten gutes Land und mit der Zeit ging es ihnen wirtschaftlich auch besser. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb gründete sich am 25.03.1958 eine LPG Typ I. Sie bestand aus 7 Mitgliedern, das waren die Familien Neumann und Urzynicok. Schon 1959 kamen zwei weitere Siedlerfamilien zur LPG und im Frühjahr 1960 traten alle Siedler aus Steinfurth der Genossenschaft bei. Auch Familie Schulz aus dem Ortsteil Lindenhof ließ sich durch die guten Ergebnisse der Steinfurther LPG überzeugen und entschied sich für diese LPG, als der „sozialistische Frühling“ kam. Sie brachten ihr gesamtes Vieh, die Futterbestände, Maschinen und Geräte mit ein. Daher bot es sich an, in Lindenhof die genossenschaftliche Viehhaltung zu stationieren.

 

KartoffelernteGemeinsame Kartoffelernte in Steinfurth

MähbinderBei der Arbeit mit dem Mähbinder in Steinfurth

Bis 1945 war Steinfurth ein Vorwerk, das zum Gut Dedelow gehörte. Hier wohnten nur die Landarbeiterfamilien Ernst Koch, Hermann Krüger und Gustav Schulz. Es gab nur ein Wohnhaus. In diesem lebten nach Kriegsende 4 Familien. Die anderen Siedler, soweit sie nicht, wie z.B. Familie Fuchs in Dedelow wohnten, teilten sich die Ställe und die Scheune. Es waren große, gut erhaltene Gebäude. Sie standen leer, denn Vieh war auch hier nach dem Krieg nicht mehr da. Die Gebäude wurden so umgebaut, dass die Familien darin wohnen konnten. Es gab auch Siedlerfamilien die sich eine Baracke gekauft und diese mit nach Steinfurth gebracht hatten. Sie wurde in der Nähe der Ställe aufgestellt und die Familien lebten darin. Später baute sie an dieser Stelle ihr Neubauernhaus.

altes Wohnhaus Steinfurth Altes Wohnhaus in Steinfurth

Das erste fertig gestellte Neubauernhaus in Steinfurth war das von Hermann Fuchs. Er zog im Dezember 1947 ein. Da die Siedlungen in Steinfurth so vergeben wurden, dass sie meist an den Steinfurther Weg angrenzten und die Neubauernhäuser auf dem Siedlungsland gebaut wurden, entstand das heutige Dorfbild mit dem Dorfanger und den Häusern entlang der Straße. Zum Bau der Häuser wurden Steine und Träger von der Ruine des Dedelower Schlosses ebenso benutzt, wie Steine von den Ställen und der Scheune in Steinfurth. Später holte man Ruinensteine und Träger auch aus Prenzlau.

AbrisssteineEmanuel Urzynicok und seine Enkel holen Abbruchsteine aus der Friedrichstrasse

 Mit dem Wohnungsbauprogramm konnte aber nur die Spitze der Wohnungsnot in Dedelow gebrochen werden. Viele Familien lebten auf kleinstem Raum und in sehr schlechten Verhältnissen. Erst 1964 verbesserte sich die Situation. Die LPG „Paul Scholz“ gebaute für ihre Mitglieder den erste Neubaublock in Dedelow. Er konnte im Januar 1964 bezogen werden.

erster Wohnblock 1964Der erste Wohnblock in Dedelow an der Straße nach Woldegk

Die Schule

Lehrer Martin Anders war nach 1945 der erste Lehrer im Kreis Prenzlau, der im Sommer ’45 den Unterricht wieder aufgenommen hat. Bis 1945 war die vorherrschende Schulform auf den Dörfern die einklassige Landschule. Hier wurden die Kinder aller acht Schuljahre in einem Klassenraum von einem Lehrer unterrichtet. Vom 22.Januar 1945 an musste der ordnungsgemäße Unterricht an den Schulen des Kreises eingestellt werden, da der Landrat alle Kohlevorräte beschlagnahmen ließ.

Aus der Dedelower Schulchronik:

“ 2Räume des Pfarrhauses sind für Unterrichtszwecke von der Schulaufsichtsbehörde beschlagnahmt worden, da keine geeigneten Räume vorhanden sind. Leider ist der Unterrichtsraum sehr klein und dunkel. Eine Beleuchtung ist unmöglich, da Dedelow kein elektrisches Licht besitzt … Zu Beginn des Unterrichts am 01.10.45 fehlten alle Lehr-und Lernmittel … Aus zusammengesuchten Schieferplatten fertigte ich für die Kinder Schultafeln und Stellte mir eine Wandtafel her. Desgleichen eine russische Rechenmaschine für den Unterricht der Unterstufe… Auf der Dedelower Feldmark wusste ich ein geringes Kreideaufkommen. Durch Nachgraben verschaffte ich mir die notwendige Menge Tafelkreide.“

Lehrer Anders mit SchulklasseLehrer Anders mit Schulkindern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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