Das sozialistische Dorf

Das sozialistische Vorzeigedorf Dedelow

1961 lebten in Dedelow 275 Einwohner. Wohnraum war knapp und jedes Zimmer sehr begehrt. Das Dorf unterschied sich in seiner Infrastruktur nicht von den Orten der Umgebung.

Erst 1964 entspannte sichdie Situation, als ein Wohnblock mit 15 Wohnungen übergeben werden konnte. Dieser war durch die örtliche LPG „Paul Scholz“ gebaut worden und für ihre Mitarbeiter gedacht. Im Januar 1960 hatte sich diese LPG mit der LPG Typ III „Friedenstaube“ Ellingen zusammengeschlossen. Sie hatten damit rund 1200 ha Land zur Bewirtschaftung. Der Hauptsitz der gemeinsamen LPG befand sich in Dedelow.

1961 wurde auch die Dorfstrasseasphaltiert und löste das Kopfsteinpflaster ab.

Einen guten Überblick über das Leben in Dedelow im Jahre 1961 gibt ein Ausschnitt aus der Analyse der Gemeinde aus diesem Jahr.

„Analyse der Gemeinde Dedelow

Es ist Bahnstation an der Strecke Prenzlau- Strasburg und Prenzlau-Fürstenwerder. Außerdem befindet sich im Ort noch eine Bushaltestelle der Linie Prenzlau-Woldegk. Die Verkehrslage ist als absolut gut zu bezeichnen. ..

Dedelow liegt 55 bis 63 m über dem Meeresspiegel. Die Ackerwertzahl beträgt Ø 45, die Grünlandzahl Ø 36. Der Anteil am Grünland zur Nutzfläche beträgt 13 %.

Die Gemeinde hat eine Gesamtfläche von 10,2 qkm. Davon sind 770 ha Ackerland, 124 ha Wiesen und 60 ha Wald. Als Vorfluter für die Entwässerung der Wiesen dient der Quillow, welcher bei Prenzlau in die Ucker mündet….

Zurzeit zählt Dedelow 330 Einwohner, davon 149 männliche und 181 weibliche. Kinder bis 14 Jahre sind 74 und Jugendliche von 14 bis 25 Jahre sind 39 vorhanden.

Zur Schule:

In Dedelow unterrichtet nur 1 Lehrer, welcher bereits das Pensionsalter erreicht hat. …

Jetzt haben wir in Dedelow folgenden Zustand. 1. und 2. Klasse lernt in Dedelow, 3. und 4. Klasse in Holzendorf, 5. und 6. Klasse in Falkenhagen und die 7. und 8. Klasse in Prenzlau.

In Dedelow besteht ein Erntekindergarten, der durchschnittlich von 12-14 Kindern besucht war. Eine Kinderkrippe soll 1961 eingerichtet werden.

Dedelow hat zwei Kulturräume aufzuweisen, von denen einer zum Ortsteil Steinfurth gehört und von der LPG unterhalten wird. Ein Dorfklub wurde gebildet.

Dedelow wird von der Gemeindeschwester in Falkenhagen mit betreut. Es gibt aber einige vom Roten Kreuz ausgebildete Gesundheitshelfer, welche im Ort bekannt sind und 1.Hilfe zu leisten im Stande sind. …

Das Trinkwasser wird noch aus Einzelbrunnen entnommen. Eine bakteriologische Untersuchung aller Brunnen hat ergeben, dass von ca. 30 Brunnen welche im Ort vorhanden sind, nur 3 ein einwandfreies Wasser enthalten. Da jetzt ein Brunnen für die 1961 zu bauenden 15 Wohneinheiten errichtet wird, wäre es angebracht, diesen gleich für eine zentrale Wasserversorgungsanlage auszubauen. …

1959 konnte in Dedelow ein moderner Verkaufskiosk gebaut werden. Durch Umstellung auf Teilselbstbedienung wurde die Verkaufskultur auf einen hohen Stand gebracht. Die alte Verkaufsstelle wurde, einem alten Wunsch der Dorfbevölkerung Rechnung tragend, zu einer vorbildlichen Gaststätte ausgebaut. Das Warenangebot befriedigt, bis auf die Belieferung mit Backwaren, welche oftmals nicht ausreicht. Dies wirkt sich besonders schwerwiegend aus, weil kein Bäcker im Ort vorhanden ist. …

Um den Bäuerinnen die Arbeit zu erleichtern, steht ihnen eine von der LPG eingerichtete Wäscherei zur Verfügung, welche mit zwei ständigen Arbeitskräften besetzt ist.

In Dedelow wohnen zwei Volkspolizisten, aber der zuständige Abschnittsbevollmächtigte wohnt in Schönwerder.

Die FFW liegt bei dem Oberbrandmeister Weide in guten Händen. Die Wehr ist materiell gut ausgerüstet, der Stand der Ausbildung ist ebenfalls gut….

Noch ist manches zu tun, um aus dem ehemaligen Junkerdorf ein schönes sozialistisches Dorf zu machen.

…                                                                               Günther

                                                                              Bürgermeister

 

alte Dorfstrasse-1Blick von der Quillowbrücke Richtung Prenzlau. Die Straße ist bereits asphaltiert

Im März 1960, kam der „sozialistische Frühling“und alle Bauern und Siedlermussten in die LPG. Das war für viele ein sehr schwerer Schritt. Da war es gut, dass viele Söhne der Siedler und Einzelbauern Leitungsfunktionen in den neuen LPG übernahmen.

Im Mai 1963 wurde der Stützpunkt der MTS an die LPG Typ III „ Paul Scholz“ angegliedert. Das war ein staatlich gewollter Prozess, der in allen Dörfern stattfand. Es war organisatorisch einfacher und verkürzte die Leitungswege. Die meisten Mitarbeiter der MTS wurden freiwillig Mitglied in der LPG. Das waren viele junge Leute.

Von 1961 bis 1968 war die LPG „Paul Scholz“ Dedelow ein Betrieb, in dem Pflanzenproduktion und Tierproduktion betrieben wurde. Es gab eine Baubrigade, Werkstatt und Schlosserei. Die LPG verfügte über die notwendigen Maschinen und Geräte, die sie für die Produktion benötigte.

In Dedelow selber veränderte sich nicht sehr viel. 1966 wurde ein Schulpavillon übergeben, in dem die 5-8. Klassen unterrichtet wurden. Ab 1967 gab es einen Hort für die Schulkinder. Seit 1956 gab es einen Erntekindergarten und ab 1960 eine Saisonkinderkrippe für die Kinder der Genossenschaftsbauern. Sie waren im alten Fachwerkhaus auf dem ehemaligen Gutshof bzw. im Spikerhaus der „Sprungschen Mühle“ untergebracht.

In Januar 1965 hatten sich die beiden Dedelower LPG Typ I „Neuer Weg“ und Typ III „Paul Scholz“ zur LPG „Paul Scholz“ zusammen geschlossen. Die LPG Typ I mit genossenschaftlicher Tierproduktion „Uckermark“ Steinfurth ging zur LPG Typ III über. Zwischen diesen LPG herrschte ein freundschaftliches Verhältnis. Das gute und auch fachliche Verständnis untereinander führte dazu, dass man sich zu Fragen der landwirtschaftlichen Produktion austauschte und wenn nötig gegenseitig unterstützte. Im Juli 1965 kam es zur Gründung der Kooperationsgemeinschaft Dedelow.

Bereits im September 1965 wurden die ersten zwischengenossenschaftlichen Erntekomplexe für die Silomaisernte gebildet. In den folgenden Jahren schlossen sich immer mehr LPG der Umgebung der Kooperationsgemeinschaft Dedelow an. Ähnlich wie in der Pflanzenproduktion entwickelten sich auch die Beziehungen in der Tierproduktion. In der Milchwirtschaft standen die LPG der Kooperation vor dem Problem, dass der vorhandene Kuhbestand nicht ausreichte, die Verpflichtungen der Planwirtschaft zu erfüllen. Besonders die LPG Dedelow, Schönwerder und Zernikow standen vor derFrage, sich Kuhplätze durch den Bau neuer Ställe zu schaffen. Dabei suchten die LPG nach einer günstigen und schnellen Lösung für alle Beteiligten. Eine erste Konzeption für die künftige Produktion in den Betrieben der Kooperationsgemeinschaft Dedelow wurde bereits 1966 erarbeitet. Im Mittelpunkt stand der Aufbau eines zwischengenossenschaftlichen Kuhstalles mit einer Kapazität von etwa 1000 Kuhplätzen, an dem sich die LPG „Paul Scholz“ Dedelow und die LPG „Morgenrot“ Schönwerder beteiligen wollten. Dieser Stall durfte aber nicht gebaut werden, weil es Ställe solcher Größenordnung bisher in der DDR nicht gegeben hatte.

Die LPG Klinkow wurde zu dieser Zeit von Friedrich Clermont geleitet, der Mitglied der Volkskammer der DDR war.Dadurch kam es, dass man den Vorschlag bekam, einen Kuhstall für 2000 Tiere zu bauen. Der Stall sollte eine für die DDR einmalige Milchviehgroßanlage zur industriellen Milchproduktion werden. Er kam den Interessen der Kooperationsgemeinschaft sehr entgegen. Der Kooperationsrat beriet sich dazu, und bereits am 21.09.1967 fasste der Ministerrat der DDR den Beschluss zum Bau einer 2000er MVA in der Kooperation Dedelow.

 clemontFriedrich Clermont

Noch im Dezember 1967 er­folgte der erste Spatenstich. Damit begann für die Kooperationsgemeinschaft der landwirtschaftlichen Betriebe, aber auch für das Dorf Dedelow eine Entwicklung, die dazu führte, dass Dedelow in der gesamten DDR und darüber hinaus bekannt wurde. Das ehemalige kleine, unbekannte Gutsdorf Dedelow wurde in kürzester Zeit ein „Musterdorf“ sozialistischer Entwicklungsmöglichkeiten.

Nach einer Bauzeit von nur einem Jahr, wurde am 03.Januar 1969 die erste 2000er Milchviehanlage der DDR in Betrieb genommen. Der erste Leiter der gemeinsamen Abteilung Milchproduktion war Erich Weihrauch. Ab März 1979 übernahm Dr. Lothar Ganß die Leitung der MVA. Am 03.01.1975 ging die zweite Ausbaustufe der Milchviehanlage Dedelow in die Produktion. Damit gab es 3.745 Kuhplätze.

MVA 1 Die Milchviehanlage Anfang der 70ger Jahre

 

image-13Die Milchviehanlage im Sommer 2004

Die Silotürme waren für 36 Jahre das Erkennungszeichen von Dedelow.

Für eine qualitätsgerechte Ausführung der Arbeiten in allen Bereichen war es notwendig, die Arbeitskräfte entsprechend zu qualifizieren. Viele Menschen waren über ihre Siedlung bzw. die Arbeit auf der Siedlung der Eltern in die LPG gekommen. Sie kannten sich mit den Arbeiten in der Landwirtschaft aus, hatten aber keine spezielle Ausbildung. Daher wurde im Holzendorfer Schloss, eine Kooperationsakademie eingerichtet. Hier konnten die Landarbeiter im Winter ausgebildet werden.

Parallel dazu entstand in Dedelow ab 1969 das Bildungszentrum für industrielle Rinderwirtschaft. Seine Hauptaufgabe war es, Bildungsvorlauf für die in der DDR entstehenden industriemäßigen Anlagen der Rinderproduktion zu schaffen. Dazu sollten auch die in der Dedelower Anlage gemachten Erfahrungen dienen.

BZBlick auf den Hörsaal des Bildungszentrums

Durch die Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion wurden mehr Arbeitskräfte und Fachleute benötig, wie zu der Zeit in Dedelow und den umliegenden Dörfern lebten. Diese mussten mit Wohnraum und möglichst einer guten Infrastruktur versorgt werden. Dedelow wurde durch den Standort der Milchviehanlage zum Hauptort eines Gemeindeverbandes. Die dadurch stattfindenden gravierenden baulichen Veränderungen dienten der Politik häufig zur Selbstdarstellung.

Es begann ein Dorfumbau von ungeahntem Umfang. Fast alle alten Häuser, die den Krieg noch überstanden hatten, wurden innerhalb weniger Jahre abgerissen und durch moderne Wohnblöcke ersetzt. Dazu gab es Planungsentwürfe, die aber auch immer wieder verändert wurden. Eine Dorfveränderung dieser Größenordnung war auch für die Planer Neuland. Für die Haus- und Grundstücksbesitzer in Dedelow bedeutete das quasi die Enteignung, obwohl sie entschädigt wurden. Aber ein wirkliches Einspruchsrecht hatten sie nicht.  Noch 1968 wurde der erste Wohnblock mit je 28 Wohnungen übergeben.

erster BlockDer erste übergebene Wohnblock

Bereits 1970 wurden 4 weitere Wohnblöcke fertig gestellt. Jeder, der eine solche Wohnung zugewiesen bekam, gehörte zu den „Glücklichen“. Es waren Wohnungen die einen zu der Zeit hohen Wohnstandard hatten. 1970 ist die Verkaufsstelle mit 42 m² Verkaufsraum schon zu klein. Die Gaststätte hat Platz für 75 Gäste. Es gibt eine Annahmestelle für Wäsche, Schuhreparatur, Propangas und eine zentrale Müllabfuhr. Es gibt kein Kulturgebäude, aber einen Jugendraum mit 25 Plätzen Der Sportplatz hat eine Größe von 8200m², aber es gibt keine Turnhalle. 4x täglich verkehrt der Bus in Richtungen Prenzlau bzw. Neubrandenburg. Nach Prenzlau, Strasburg und Fürstenwerder fährt 6x täglich der Zug. Der Güterverkehr wurde eingestellt. Es gibt bereits eine zentrale Wasserversorgung, an die aber einige Haushalte nicht angeschlossen sind. Diese wird im Zugeder Vergrößerung der MVA erweitert. Eine zentrale Abwasserentsorgung gibt es noch nicht. 1971wird die neue Polytechnische Oberschule in Dedelow übergeben. Der Hort ist in einer eigenen Etage untergebracht. Alle Schulkinder des Gemeindeverbandes können nun von der 1.bis zur 10. Klasse hier unterrichtet werden.

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Die neue Schule

Auch ein Eigenheim wurde 1971 gebaut. Am 20.10.1971wurde die Kombination Kaufhalle/Dienstleistungstrakt eröffnet. 3x wöchendlich ist Damen- und Herrenfrisör, Gaststätte ist noch provisorisch untergebracht. Die Post ist zu diesem Zeitpunkt im Neubau untergebracht.

Dedelow ist ein Ort ständiger Veränderung.

1973 wurden weitere 48 Wohneinheiten gebaut und der Bau von 6 Eigenheimen begonnen. Am 20.09.1974 wird die Mehrzweckeinrichtung mit 250 Plätzen in der Gaststätte und 500 Plätzen in der Schulspeiseeinrichtung in Betrieb genommen. Der Kindergarten zieht in die „Alte Schule“, wo er bis 1995 sein Domizil hatte.

Schule alt„Alte Schule“

1975 hat Dedelow 915 Einwohner. Zu diesem Zeitpunkt ist der überwiegende Teil der totalen Umgestaltung des Ortes abgeschlossen. Sehr viele Menschen sind nach Dedelow gezogen, um in der Milchviehanlage bzw. den LPG zu arbeiten. Sie können kaum noch erahnen, wie das Dorf noch wenige Jahre vorher ausgesehen hat. Es gibt nur noch sehr wenige alte Häuser. Zu dieser Zeit gibt es in Dedelow fast alles, um autark leben zu können. Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Arzt, Kinderarztsprechstunden, Gemeindeschwestern, Post, Gaststätte, Konsum, Frisör, Kosmetik, BHG-Laden, Bus und Bahn usw. Viele Dedelower haben bewirtschaften einen Garten und versorgen sich auf diesem Weg mit Obst, Gemüse und Blumen.

KurveBlick auf das neue Dorf

Um genügend Beregnungswasser zur Verfügung zu haben, wurde der Quillow am „Mitgeweide“ angestaut.

image-6Stausee in Dedelow

 Das Mitgeweide war die Fläche, wo sich der Quillow, von Falkenhagen kommend, kurz vor Dedelow in zwei Arme teilte. Die Fläche dazwischen wurde als Kuhweide genutzt. Ein Arm des Quillow trieb Jahrhunderte lang die „Unterste Mühle“ an, die auch als „Sprungsche Mühle“ bekannt ist. Der Stausee wurde intensiv auch für die Naherholung genutzt. Er diente und dient u.a. zum Baden, Angeln und auch Schlittschuhfahren im Winter.

In Dedelow konnten 1981 sieben Eigenheime bezogen werden, die die Betriebe der Kooperation errichteten. Auch das Lehrlingswohnheim, der so genannte „Zweigeschosser“ wurde mit Lehrjahresbeginn im September fertig gestellt. 27 Jahren später, im Sommer 2008, erfolgt nach langem Leerstand der Abriss dieses Gebäudes.

LehrlingswohnheimAbriss des Lehrlingswohnheimes

Zum Beginn des Jahres1983 wurden noch zwei Wohnblöcke an der Steinfurther Straße übergeben. Wohnungen waren zu dem Zeitpunkt wieder sehr knapp, weil die Einwohnerzahl ständig weiter gestiegen war. Bis 1989 war sie auf 1242 Einwohner in Dedelow und seinen Ortsteilen angewachsen. Der letzte in Dedelow gebaute Wohnblock wurde 1989 an der Bahnhofstrasse übergeben. Er war der erste Block, der trotz erfolgter Rekonstruktion im November 2006 abgerissen wurde.

 

 

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